Aktionsbündnis Frieden organisiert Infoveranstaltung für Gastfamilien und ehrenamtliche Helfer in der Ersthilfe für ukrainische Geflüchtete.

Im Rahmen des Aktionsbündnis Frieden organisierten die Verantwortlichen eine Infoveranstaltung für Helfende. Dort beantworteten Sabine Beine vom Kreis Lippe und Tabea Beer von der Stadt Detmold etwa 80 Personen dringende Fragen rund um die Themenfelde Registrierung, Erfassung, Unterbringung und Sozialleistungen.

Eröffnung
Zur Begrüßung ergriff Andy Schiller, Mitarbeiter des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte das Wort: „Es ist mir eine Ehre, einer von vielen Helfern zu sein, die diese Flüchtlingskrise etwas einfacher machen können.“ Getreu dem Motto des Aktionsbündnis‘ „Völker, entsaget dem Hass – versöhnt euch, dienet dem Frieden – baut Brücken zueinander“, wolle man Brücken zueinander bauen.

Gleichzeitig sei ihm bewusst, dass mit dieser Aufgabe auch viele Herausforderungen verbunden seien, die nicht einfach zu bewältigen sind. In dieser ungewissen Situation gebe es viel Ungewissheit und man spüre in den letzten Tagen Unsicherheiten und Ungewissheiten, die dringend zu klären sind. Diese Veranstaltung solle dem Frust etwas entgegensetzen und zumindest ein paar grundlegende Fragen der Gasteltern und Mitarbeiter der verschiedenen kirchlichen, diakonischen und privaten Initiativen beantworten.

Vorstellung der Initiativen
Im Anschluss stellten sich drei Verantwortliche von verschiedenen Helfer-Initiativen vor. Alex Dell, Pastor der Evangelischen Freikirche Herberhausen habe schon vor der Ukraine-Krise enge Verbindungen zu Ukrainern gehabt, sodass ihn die Nachricht des russischen Überfalls von Anfang an dazu gedrängt habe, sich zu engagieren. Es wurden Hilfsaktionen per WhatsApp organisiert, wo sich Hilfesuchende und Helfende koordinieren konnten. Die Initiative sei organisch gewachsen, inzwischen sei seine Nummer in ganz Europa verbreitet worden. Sie würden Tag und Nacht von Leuten angerufen, die gehört haben, dass man unter dieser Nummer Hilfe finden könne.

Ähnlich ging es Timofey Goncharov, Mitarbeiter der Evangelischen Freikirche Lage Gedison. Er sei selbst erst im Jahr 2006 aus der Ukraine nach Deutschland übergesiedelt und habe dort, aber auch nach Russland noch enge familiäre und freundschaftliche Verbindungen. Umso schmerzhafter sei der gegenwärtige Konflikt zwischen den beiden Ländern für ihn. Auch ihn erreichten viele Anfragen nach Unterkunft und Unterstützung, sodass er sich mit anderen Verantwortlichen aus seiner Gemeinde zusammengesetzt und einen Plan erstellt hatte. Dieser evaluierte die Kapazitäten der Gemeinde und Privatleute und in welchem Umfang man dementsprechend Hilfe anbieten könne. Inzwischen habe man 140 Leute bei Gemeindemitgliedern in drei lippischen Kommunen unterbringen können. Die Situation wie auch die Erwartungen und die Bedarfe der Geflüchteten seien unterschiedlich. Klar sei: Die ursprünglich geschätzten 4 bis 6 Wochen, in der sie in Gastfamilien bleiben müssen, seien zu kurz für die – stellenweise empfundene – langsam mahlenden Mühlen der deutschen Bürokratie, welche Goncharov „komplizierter als das Studium der Elektrotechnik“ vorkomme.

Als dritter Initiator berichtete Rudi Dück, Pastor der Evangelischen Freikirche Schöne Aussicht Detmold von seinen Erfahrungen. Ihm und seinen Mitarbeitern war sofort klar, dass sich ihre Gemeine-Räumlichkeiten mit rund 2.000 Quadratmeter Hallenfläche ideal als Warenlager anbieten würde. Im Laufe der letzten drei Wochen wurden dort Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel und Medikamente gesammelt. Diese wurden teils in 40-Tonner-LKW in die Ukraine transportiert und dort über persönlich bekannte Netzwerke verteilt, teils jedoch auch gesammelt, sortiert und im Rahmen eines Second-Hand-Ladens an die hier „gestrandeten“ Geflüchteten kostenfrei ausgehändigt. Die Hilfsbereitschaft sei groß gewesen. Aus ganz Detmold kamen freiwillige Helfer zum Sortieren der Sachspenden. An einem Samstag seien 40-50 Leute unermüdlich bei der Arbeit gewesen. Von Seiten der Geflüchteten haben sie als Team dafür bisher nur Erleichterung, Freude, Dankbarkeit und Rührung erfahren. Inzwischen habe sich der Bedarf geändert: Seitdem einige Geflüchtete bereits in Wohnungen untergebracht werden konnten, brauchen sie Einrichtungsgegenstände. Daher sammeln er und seine Mitarbeiter nun gezielt Gegenstände zur Wohnungseinrichtung in der Halle.

Schon vergangene Woche hätte die Gemeinde Schöne Aussicht – wie bereits einige weitere Freikirchen in Detmold – ein gemeinsames Kaffeetrinken mit Geflüchteten und Gemeindemitgliedern ausgerichtet. Dabei waren knapp 200 Erwachsenen und zwischen 50 und 70 Kindern dabei gewesen.

Informationen des Kreises Lippe
Sabine Beine vom Kreis Lippe, Fachbereichsleiterin Soziales und Integration und Mitglied im Verwaltungsvorstand drückte im Anschluss ihren tief empfundenen Dank für alle Helfenden aus und motivierte sie, bitte damit weiterzumachen, da diese Hilfe eine große Entlastung für die Kommunen und Behörden sei. Auch für sie kam der Krieg in der Ukraine überraschend. Wie so viele andere hätte sie diese Entwicklung nicht für möglich gehalten. Abgesehen vom Schock darüber, seien auch die Behörden mit damit überfordert: „Wir sind nicht so flexibel. Gesetze sind nicht immer so einfach händelbar, wie man sich das wünschen würde.“

Nichtsdestotrotz habe die Bundesregierung entsprechend schnell reagiert und die vom Europarat entschiedene Massenzustromrichtlinie in Kraft gesetzt, sodass grundsätzlich zwei Jahre Aufenthalt in Deutschland für Geflüchtete aus der Ukraine bewilligt werden. Dies beinhalte auch den Bezug von Asylleistungen. In den vergangenen Wochen seien insgesamt 2.900 Geflüchtete aus der Ukraine im Kreis Lippe angekommen, die meisten seien in Detmold und Augustdorf untergebracht worden. Neben Notunterkünftigen würde der Kreis auch bald 30 Übersetzer einstellen, die für die Geflüchteten eingesetzt werden können. „Wir haben relativ viel sehr schnell geöffnet,“ fasst Beine die Bemühungen der letzten Wochen zusammen. Die Bundesregierung habe die Kommunen dazu aufgerufen „alles möglich zu machen,“ doch das lasse sich nicht von heute auf morgen regeln. So zynisch das klinge, „wir können leider nicht zaubern,“ konstatiert Beine.

Auch Tabea Beer, Fachgebietsleitung Sozialarbeit, Unterbringung und Integration der Stadt Detmold, wusste ähnliches zu berichten. Sie sei seit 2014 beruflich in Lippe eingestellt und sehe dies als absolute Ausnahmesituation. Es seien in den letzten 14 Tagen so viele Menschen erfasst worden wie in der letzten Flüchtlingskrise innerhalb von einem halben Jahr. Da die Lage sich dynamisch entwickle, könne man inzwischen auch keine konkreten Zeitaussagen mehr tätigen. Je mehr Geflüchtete ankommen, desto länger seien die Wartezeiten bei Ämtern und Anträgen. „Frust ist da vorprogrammiert und absolut verständlich,“ stellt Beer fest und appelliert, dass Geduld und ein langer Atem bei allen Beteiligten nötig sei.

In der abschließenden Fragerunde konnten die Zuhörer Fragen im Hinblick auf Rechtliches stellen. Beispielsweise, wer für Arztkosten aufkommt, wann Geflüchtete arbeiten gehen und eine Wohnung mieten dürfen, wer die Miete für diejenigen bezahlt, die bereits eine Wohnung haben, ob es finanzielle Entlastungen für die Gastfamilien gibt und wie mit unbegleiteten Minderjährigen verfahren wird. Diese sollen bitte umgehend an das Jugendamt gemeldet werden, betonte Beine. Generell solle man alle Geflüchteten erfassen lassen, um einen Überblick zu bekommen, wie viele überhaupt bereits hier seien. Auch solle man Missbrauch melden, denn nicht alle sich als Helfende in Deutschland meinen es gut mit den Geflüchteten. So können die geringen Sprachkenntnisse und die Hilfsbedürftigkeit ausgenutzt werden.

Auf die Frage, wie das Aktionsbündnis Frieden weiterhin helfen könne, antwortet Beine und Beer, dass man so weitermachen solle, wie bisher. Außerdem seien Listen mit entsprechenden Daten und Passkopien hilfreich. Das würde den Behörden die Erfassung erleichtern. Auch die Sprach- und Kulturkenntnisse vieler Russlanddeutsche seien von großem Wert für die Übersetzung. Man könne den Geflüchteten weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen, sie ans Sozialamt übermitteln und ihnen beim Ausfüllen der Formulare helfen. Auch sei es hilfreich, niedrigschwellige Möglichkeiten für die Geflüchteten zu schaffen, in denen sie sich treffen, integrieren, beschäftigen und eingliedern können. Begegnungsangebote wie das Kaffeetrinken in der Schönen Aussicht seien ein gutes Beispiel dafür.

Weitere Begegnungsangebote würden in Zukunft auf der Website www.russlanddeutsche.de/friede gesammelt.

Zum Schluss bedankte sich Andy Schiller für das Kommen und verabschiedete alle Anwesenden.

Foto: Museum für russlanddeutsche Kultrgeschichte