Lippische Mobilitätsdienstleister sehen große Herausforderungen.

Die lippischen Verkehrsunternehmen sehen sich vor großen Herausforderungen. Dies zum einen durch die aktuellen Beschlüsse des Bundes zur Schaffung eines 9 Euro-Abos für die kommenden drei Monate, zum anderen durch die Einführung des Schülertickets bei den Kreisberufsschulen ab dem Schuljahr 2022/2023 und schließlich durch die zusätzlichen Fahrgäste in Folge der Ukraine-Krise.

„Die Verkehrsunternehmen begrüßen ausdrücklich das Engagement des Bundes zum 9-Euro-Abo und auch dem vom Kreistag beschlossenen Schülerticket steht man offen gegenüber. Ganz besonders freuen wir uns, dass die Städte im Kreis Lippe vielen geflüchteten Menschen aus der Ukraine eine neue, sichere Heimat bieten und auch die geflüchteten Menschen vom ÖPNV profitieren.“, heißt es seitens der Verkehrsunternehmen.

Aber die lippischen Personenbeförderer sehen sich angesichts dieser neuen Entwicklungen mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert.

Zum einen stehen die Unternehmen angesichts des 9-Euro-Tickets vor vertrieblichen Problemen. Sie gehen davon aus, dass fast alle Kunden, auch diejenigen, die bisher Einzeltickets gekauft haben, das 9-Euro-Ticket erwerben wollen. Da das Ticket weder am Fahrscheinautomaten noch am Bordrechner der Busse erhältlich sein wird, rechnen die Unternehmen mit einem massiven Kundenandrang in ihren Kundenbüros. Darüber hinaus müssen Regelungen gefunden werden, wie den bisherigen Abo-Kunden die entsprechenden Beträge erstattet werden.

Neben den vertrieblichen Herausforderungen gilt es auch, für ein zusätzliches Fahrgastaufkommen gewappnet zu sein. Der Kreistag hat beschlossen, den Schülern, die bisher keine Fahrkarte vom Schulträger bekommen, ab dem Schuljahr 22/23 auch ein westfalenweites Schülerticket auszustellen. Im Zusammenhang mit diesen Maßnahmen rechnen die Verkehrsunternehmen besonders im Nahbereich der Schule mit erhöhtem Fahrgastaufkommen. Allein die Berufskollegs in Detmold haben ca. 1500 Schüler, die neu hinzukommen würden. Außerdem sorgen natürlich auch die geflüchteten Menschen aus der Ukraine für einen erhöhten Bedarf im ÖPNV. Gerade in den Spitzenzeiten gelangen die Busse schon heute an die Kapazitätsgrenze. Sollten durch das SchülerTicket nur ein Teil der berechtigten Schüler die Busse zusätzlich nutzen und durch das „9 für 90-Ticket“ auch andere Fahrgäste für den ÖPNV gewonnen werden, sind an vielen Stellen zusätzliche Busse erforderlich. Angesichts des allgemeinen Fahrermangels sowie der durch Corona bedingten hohen Ausfallquote durch Krankheit und Quarantäne werden die beauftragten Verkehrsbetriebe nicht mehr in der Lage sein, Mehrleistungen zu erbringen.

Besonders heikel: weder für das SchülerTicket noch für das 9 für 90 Ticket erzielen die Personenbeförderer Einnahmen. Das Land NRW erstattet im Rahmen eines Corona-Rettungsschirmes den Verkehrsunternehmen die coronabedingten Fahrgeldausfälle. Die Unternehmen erhalten die Einnahmen gesichert, die sie auch im Jahre 2019 gehabt haben. Das führt allerdings dazu, dass Mehreinnahmen, die den Verkehrsunternehmen eigentlich aus dem SchülerTicket oder dem „9 für 90“-Ticket zustehen, im Jahre 2022 nicht bei den Unternehmen ankommen. Sie werden mit den Erstattungsleistungen des Landes verrechnet. Der Corona-Rettungsschirm hat nach Meinung der Unternehmen das Überleben vieler ÖPNV-Betriebe gesichert. Jetzt werden die Regelungen zum Problem.

Die Mehrleistung, soweit überhaupt möglich, wäre also allein von den Unternehmen zu tragen.

Die lippischen Verkehrsunternehmen befinden sich nicht alleine in dieser Situation. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen hat in einer Pressemitteilung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit den getroffenen Maßnahmen erhebliche Herausforderungen auf das System der Mobilität zukommen. Die Unternehmen werden nach Kräften versuchen, die Situation zu beherrschen. Alle Beteiligten sollten sich aber im Klaren darüber sein, dass dies an verschiedenen Stellen einen Krisenmodus zur Folge hat. Sowohl Personal auch als Fahrzeugressourcen werden schließlich nicht ad hoc zur Verfügung stehen.

Die lippischen Unternehmen hätten sich gewünscht, dass der Kreis dem Vorschlag auf Verschiebung des SchülerTickets auf den 1. Februar 2023 gefolgt wäre. Damit hätten die beiden Maßnahmen entzerrt werden können. So müssen sie die jetzigen Fahrgäste um Verständnis bitten, dass die Fahrleistungen aufgrund der erhöhten Nachfrage nicht mehr in der gewohnten Qualität erbracht werden können. Außerdem stehen sie bzw. die Städte vor einem Finanzierungsproblem. Dieses sollten sie nicht alleine lösen müssen.

Das „9 für 90“-Ticket soll nach dem Wunsch der Bundesregierung in der Zeit von Mai bis Juni 2022 den Bundesbürgern die Möglichkeit geben, auf den ÖPNV umzusteigen. Der Bund stellt dafür 10 Milliarden Euro zur Verfügung, die an die Länder gehen. Durch das SchülerTicket werden im Kreisgebiet ca. 2300 zusätzliche Schüler ein Ticket erhalten. Welche Nachfrage das 9 für 90-Ticket auslösen wird, ist zurzeit nicht abzuschätzen.

Die lippischen Verkehrsunternehmen bitten um Verständnis dafür, dass die sie den Anforderungen von Bund, Ländern und Kreis nachkommen und im dem Interesse der Bürger ein Verkehrsangebot bereitstellen, dass der Krisenlage entspricht. Die Verkehrsunternehmen rechnen insbesondere an den stadtnah gelegenen Haltestellen damit, dass möglicherweise Fahrgäste nicht mehr befördert werden können.