LWL veröffentlicht Buch über die kommunale Gebietsreform in Ostwestfalen-Lippe.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) stellt anhand von sechs Beispielen in Ostwestfalen-Lippe (OWL) die kommunale Gebietsreform dar und hat die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie jetzt in dem Buch „‚Umgekrempelt‘. Die kommunale Gebietsreform in Ostwestfalen-Lippe (1966-1975)“ veröffentlicht. Mit dem Abschluss der Gebietsreform 1975 veränderte sich die kommunale Landkarte grundlegend: Aus etwa 2.300 selbstständigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wurden im Rahmen der Reform 396 Städte und Gemeinden. Ziel der Reform war es, die Leistungskraft der Verwaltung zu stärken.

„Das ganze Land soll ‚umgekrempelt‘ werden“ so betitelte die Tageszeitung „Die Welt“ im Mai 1968 die Pläne zum Gutachten der Sachverständigenkommission des Landes Nordrhein-Westfalen. Die von 1966 bis 1975 in NRW durchgeführte kommunale Gebietsreform legte Städte und Gemeinden zusammen. „Den Neugliederungsprozess zeige ich exemplarisch anhand von sechs Beispielen auf: Höxter, Detmold, Hille, Preußisch Oldendorf, Paderborn und Warburg“, erklärt Autor Dr. David Merschjohann, dessen Buch in der Reihe „Forschungen zur Regionalgeschichte“ des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte erschienen ist, und fügt hinzu: „Die Zahl der Kommunen und Städte ist bis heute unverändert. Jeder, der sich mit den kommunalen Grenzen seiner heutigen Stadt beschäftigt, stößt somit auf die kommunale Gebietsreform.“ In seiner Doktorarbeit analysiert der Nachwuchshistoriker, ob die örtliche Politik und die Bevölkerung ein Mitspracherecht hatte oder ob die Reform im Düsseldorfer Landtag über die Köpfe der Politik und Bevölkerung vor Ort hinweg entschieden wurde. Kritisch hinterfragt der Autor zudem die Auswirkungen der Reform, etwa inwieweit bei der Bevölkerung eine neue Identität in den neu gegründeten Kommunen entstanden ist.

Die Gebietsreform wurde in mehreren Neugliederungsgesetzen umgesetzt, was für das Gelingen der Reform von entscheidender Bedeutung war. Das nordrhein-westfälische Innenministerium bereitete die Neugliederungsvorschläge akribisch vor. Die drei damaligen Landtagsparteien SPD, CDU und FDP waren Verfechter der Neuordnung und veränderten die Vorschläge nur in Nuancen. „Im Regelfall standen Kommunalpolitiker und Verwaltungsbeamte aus der Region OWL der Gebietsreform zwar positiv gegenüber, favorisierten allerdings kleinere Zusammenschlüsse. Deshalb wurden oftmals Eingaben nach Düsseldorf gesandt, wobei der Erfolg in den allermeisten Fällen ausblieb“, sagt Merschjohann.

Für seine Studie hat Merschjohann die Rats- und Ausschussprotokolle der jeweiligen Kommunen, Protokolle des Landtages, seiner Ausschüsse sowie der Landtagsfraktionen und der Landesparteivorstände aus 16 Archiven ausgewertet. Darüber hinaus untersuchte er Verwaltungsschriftgut, Zeitungsartikel, Zeitzeugen-Gespräche von Bürgern und Nachlässe von damaligen Politikern. „Der Protest im Regierungsbezirk Detmold beispielsweise war nicht mit dem städtischer Regionen wie Wattenscheid oder Leverkusen zu vergleichen, die sich gegen eine Eingemeindung nach Bochum und Köln wehrten“, stellt Merschjohann fest. Heutzutage sei bei den Bürgern  in der Region OWL außerdem eine zweigleisige Identität festzustellen, da sie sich sowohl mit der durch die Gebietsreform neugegründeten Gesamtstadt als auch mit dem Stadtteil, in dem sie leben, gleichermaßen identifizieren würden.

David Merschjohann: „Umgekrempelt“
Die kommunale Gebietsreform in Ostwestfalen-Lippe (1966-1975)
Paderborn 2022, 498 S., zahlreiche Abbildungen, 74 Euro
ISBN 978-3-506-79549-6

Foto: LWL