Vom 03. bis 05. November fand an der Universität Hamburg eine Fachtagung statt, die sich intensiv mit dem Thema „Das christliche Friedenszeugnis. Gewaltfreiheit als non-konforme Lebenshaltung – auf dem Prüfstand!“ auseinandersetzte. Auf Initiative des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte aus Detmold hin beleuchtete die Tagung in dem spannenden Themenblock „Kommunismus und Kirche“ auch die Perspektiven über und von Russlanddeutsche.

Über das non-konforme Dasein in der späten Sowjetunion sprach die vor kurzem aus Russland ausgewanderte Historikerin Dr. Nadezhda Beliakova. Am Beispiel der freikirchlichen Gemeinden und ihrem Verhältnis zum Militärdienst machte sie deutlich, dass es selbst bei den religiösen Minderheiten (wie z.B. den Pfingstlern, Mitgliedern des baptistischen Rates, Altgläubigen und den Siebenten-Tags-Adventisten) lediglich „pazifistische Einzelfälle“ gab, die sich dem Kriegsdienst im Militär verweigerten. Dies lag nicht zuletzt daran, dass eine pazifistische Haltung in der Sowjetunion als eine Bedrohung der Macht angesehen wurde. Dementsprechend versuchte die Regierung, den Menschen keinen Zugang zu pazifistischen Texten zu ermöglichen.

Einen weiteren Blick auf die Erfahrungen in der Sowjetunion gab die Dozentin für Systematische Theologie Prof. Dr. Katya Tolstaya. Sie merkte an, dass sie zu Beginn ihres Studiums über die „Theologie nach Ausschwitz“ hörte und wie sie half, das Erbe der Gewalt zu konfrontieren und Denkweisen im Nachkriegsdeutschland zu ändern. Über die Zeit merkte Tolstaya, dass eine ähnliche theologische Reflexion über die sowjetische Vergangenheit ausblieb. Deshalb begann sie mit dem Projekt „Theologie nach Gulag, Bucha und darüber hinaus“ und betonte die Notwendigkeit, sich mit den Realitäten des Leidens und Traumas auseinanderzusetzen. „Die Theologie wird sich mit den Realitäten, den Realitäten des Leidens und Traumas, aber auch dem echten Bedarf zur Heilung und Versöhnung auseinandersetzen müssen“ so Tolstaya.

Am Abend fand eine Lesung mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Lilli Gebhard statt. Sie las aus ihrem Gedichtbuch „Wie Schatten werden“ vor und nahm die Tagungsteilnehmenden mit in die Migrations- und Fluchtgeschichten der Deutschen aus Russland. In ihren Gedichten malte sie den Zuhörenden Bilder vor Augen, die den Schrecken hinter dem Schrecken der Russlanddeutschen fühlbar machten. Durch die Lesung wurden die aus der Sowjetunion mitgebrachten und häufig nicht artikulierten Ängste in Worte gebracht. Musikalisch untermalte der Direktor des AHF-Musikzentrums Dr. Matthias Lang die Gedichte.

Die Fachtagung bot eine reiche Diskussionsplattform und regte dazu an, auch über Themen wie Kommunismus und Kirche nachzudenken. Sie verdeutlichte, dass das christliche Friedenszeugnis nicht nur historisch relevant ist, sondern auch heute eine wichtige Rolle spielt.

Quelle & Foto: Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte Detmold