Bildstörung 2022.

Zeitgenössischer Zirkus, Akrobatik, Tanz, Musik, Performance und Audio-Walks, experimentelle und alltägliche Projekte und Produktionen beschreiben nur einige der Facetten der Vielfalt des Programms des Festivals BILDSTÖRUNG vom 3 bis 6. Juni. Allen eingeladenen Produktionen gemeinsam ist, dass sie im öffentlichen Raum stattfinden – oder sich mit diesem beschäftigen – und so Kunst und Kultur für Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und niedrigschwellig zugänglich machen. Die Zuschauer können an vier Tagen Aufführungen besuchen, die sie in andere Welten eintauchen lassen oder sich kritisch und performativ mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und die wir hier heute vorstellen:

Die Regisseurin Caroline Kapp (München) und die Performancekünstlerin Julia Nitschke (Bochum) arbeiten seit 3 Jahren als stonekollektiv an sozial engagierten partizipatorischen Performances und nehmen mit ihrer spezifischen Laber-Performance-Technik und einer Prise Fluxus den Fußballballsommer 2006 in Augenschein. ›Deutschland. Ein Labermärchen‹ verhandeln sie am Samstag, 4. Juni und Sonntag 5. Juni jeweils um 16 Uhr, die Zäsur, die Fußballweltmeisterschaft der Männer 2006 darstellt: Mit dem kollektiven Hissen der Deutschlandfähnchen wurde auch der Nationalstolz wieder massentauglich. Das sogenannte Sommermärchen ist die passende Erzählung für den Wunsch nach einer positiven Identifikation mit Deutschland. Kapp und Nitschke werden dieses Verdrängen der Nazivergangenheit nicht zulassen. Im Gegenteil: Sie labern unerlässlich über das tagesaktuelle Geschehen und performen immer wieder die rote Linie für Deutschlands Vergangenheit. Willkommen zu einem 60-minütigen Referenzspiel zwischen Deutschland, dem 1.FC Real Harmonia und Heinrich Heine.

Marco Barotti präsentiert eine neue kinetische Klangskulptur: The Egg. Vor zehntausend Jahren lebten 1 Million Menschen auf der Erde, vor fünfzig Jahren waren wir 3 Milliarden und bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden wir schätzungsweise eine Bevölkerung von 10 Milliarden erreichen! Wir haben fast jeden Teil unseres Planeten verändert, und während wir weiterwachsen, steigt unser Bedarf an lebenswichtigen Ressourcen exponentiell an.
Der Zyklus des Lebens, der sich in der Form der Skulptur widerspiegelt, die weder Anfang noch Ende hat, symbolisiert Fruchtbarkeit und Fortpflanzung – und hinterfragt damit die Auswirkungen der Überbevölkerung. Angetrieben von Echtzeitdaten, die vom Worldometer generiert werden, verändert die Skulptur ständig ihre Form. Die Daten des Worldometer-Zählers, der Geburten und Sterbefälle registriert, werden in Bassfrequenzen umgewandelt. Diese Frequenzen liegen unterhalb des vom Menschen wahrnehmbaren Infraschalls. Sie sind zu tief, um gehört zu werden, aber stark genug, um den Subwoofer anzutreiben und Bewegungen, Luftdruck und Schallschwingungen zu erzeugen, die mit der flexiblen Membran der Struktur interagieren. So entstehen unvorhersehbare Muster, die die Skulptur immer wieder neu formen. Das EGG besteht aus Naturkautschuk, einem Hightech-Latexmaterial, das aus Baumrinde hergestellt wird.

Am Samstag, 4. Juni streift katarinajej im Zeitraum von 11 bis 14 Uhr durch Detmold und nimmt zärtlich Kontakt zur urbanen Natur der Stadt auf: sie umarmt Hecken, die Grundstücke abgrenzen, legt sich zu dem Gras der Verkehrsinsel oder berührt Löwenzahnblätter, die aus der Bodenfuge auf dem Gehweg wachsen. katharinajej geht in Beziehung mit der Natur, die innerhalb der Stadt existiert und hinterfragt dabei in welcher Beziehung wir selbst zu unserer Natur stehen. Begleitet wird sie von einer Fotografin, die die Momente der Vertrautheit dokumentiert. Am Samstag- und Sonntagabend werden die entstanden Fotos in einem Ladenlokal am Marktplatz projiziert.

Am Montag, 6. Juni spielt das Berliner Theater Strahl zwei Vorstellungen des mehrfach ausgezeichneten Stückes „Klasse Klasse“ und taucht in den Mikrokosmos Schule ein. Die eigene Schulzeit steht leibhaftig vor uns – mit all diesen Arche-Typen, dem Streber und dem Star, dem Klassenclown und der Diva. In einer dynamischen Collage werden die Konflikte einer Schulklasse auf die Spitze getrieben – mit viel Musik, Witz und Poesie. Mit dabei ist Mando, Vizeweltmeister, Europameister und mehrfacher deutscher Meister im Beatboxen. Für das Festival BILDSTÖRUNG adaptiert Theater Strahl das Stück für eine Aufführung im öffentlichen Raum.

Foto: Theater Strahl/Metzner